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Gastautor Ole Helmhausen testete drei Hightlights außerhalb von Vancouver: die „Sea to Sky Gondola“, das Windrad „Eye oft he Wind“ und den Regenwald im Lighthouse Park.

Nummer 1: Die Sea to Sky Gondola bei Squamish

Der Sea-to-Sky Highway von Vancouver den Howe Sound entlang nach Whistler gehört zu den Traumstraßen der Welt. Allerdings hatte er lange ein winziges, auf Dauer aber nerviges Manko: Unterwegs gab es kaum Möglichkeiten, das grandiose Ineinander von Pazifik und Gebirge zu genießen, ohne ständig auf den Verkehr achten zu müssen. Bis jetzt!

„Wie schön wäre es jetzt, einfach anzuhalten, das Auto zu vergessen und einfach nur Augen für die Aussicht zu haben!“ – das dachte ich jedes Mal, wenn ich auf dem Sea-to-Sky Highway ins Landesinnere unterwegs war. Es schien das Schicksal dieser herrlichen Straße zu sein, zwei der beliebtesten Reiseziele Kanadas miteinander verbinden zu müssen: morgens fix zum Austoben nach Whistler und abends schnellstmöglich zurück nach Vancouver, wegen des Nachtlebens. Für die spektakuläre Topographie zwischen diesen beiden wohl populärsten Orten in Kanada blieb nie genug Zeit: den Howe Sound, die steilen Coast Mountains und die grandiosen Ausblicke.

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Warum die Sea to Sky Gondola kurz vor Squamish nicht schon vor Jahrzehnten gebaut wurde, wer weiß es schon. Im Frühjahr 2014 machte sie endlich auf – und war von Anfang an ein riesen Erfolg. 22 Millionen Dollar hat sie gekostet und schon in ihrer ersten Saison eine knappe halbe Million Besucher von Meereshöhe auf fast 900 Meter Höhe transportiert.

Mir hat die Sea to Sky Gondola gut gefallen. Eigentlich bin ich ja kein Fan solcher in die Wildnis gestellten Massenattraktionen. Doch Tourismus ist nun mal, was er ist, und jeder hat ein Recht auf die Natur vor der Haustür. Die zehnminütige Gondelfahrt ist jedenfalls atemberaubend steil und lässt es im Gehörgang knacken. Oben wartet die Summit Lodge mit Restaurant, Tea House, Souvenirshop und Aussichtsterrasse. Es gibt Boardwalks für Familien mit Kinderwagen, Lodge und Terrasse sind auch zu Rollstuhlfahrern freundlich.

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Mein persönliches Highlight war die Sky Pilot Suspension Bridge. Ich mochte sie so sehr, dass ich kaum Bilder von Gondel und Summit Lodge machte! Die etwa hundert Meter lange Hängebrücke verbindet die Aussichtsterrasse der Lodge mit der Spirit Viewing Platform auf dem Bergkamm gegenüber.

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Der Blick von der Brücke auf den Howe Sound und die schneebedeckte Berge im Hinterland ist phänomenal, das machte es mir leichter, die Menschentrauben in Kauf zu nehmen. Acht coole, teils anspruchsvolle Wanderwege beginnen hier oben. Leider hatte ich keine Zeit, sie zu testen. Nächstes Mal!

Inzwischen höre ich, dass wolkenloses Sommerwetter hier oben für Fotos eher langweilig ist. Nebel, Regen und Sturm seien es, die für echte Hammer-Bilder sorgen. Beim nächsten Mal in Vancouver also auf den Wetterbericht achten! Ich kann die Gondel jedenfalls nur empfehlen. Sie macht Spaß und Appetit auf mehr, und ist ein schöner, stressfreier Tagesausflug ab Vancouver. Und: Kanada-Neulinge können von hier oben aus einen ersten Blick ins menschenleere kanadische Backcountry werfen.

Nummer 2: Eye oft he Wind – Im Auge des Windes

Erst per Gondel auf den Grouse Mountain, oben per Sessellift dann noch ein bisschen höher, und dann im Innern eines spinnerigen Turms noch einmal 65 Meter. Nach oben. Die enge Fahrgastkabine ist nichts für Menschen mit Platzangst. Mir beispielsweise ist ziemlich beklommen. Und woher kommt bloß dieses Rauschen? Es wird immer lauter. Komisch. Stimmt da etwas nicht? Und was ist das jetzt?!

Doch rechtzeitig vor einem ernsthaften Stimmungsumschwung gleitet die Schiebetür beiseite und zusammen mit drei anderen Gästen trete ich hinaus in gleißendes Licht. Zunächst noch geblendet, spüre ich als allererstes ein leichtes, kaum wahrnehmbares Schwanken unter den Füßen. Später höre ich, der Turm sei extra so gebaut.

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Jetzt aber brauche ich ein paar Sekunden, um zu realisieren, wo ich bin: In einer gläsernen, um die Spitze des Windrads „Eye of the Wind“ herum gebauten Aussichtskanzel! Eine junge Dame nimmt mich lächelnd in Empfang, sie stehe für alle Frage bereit, sagt sie, doch zuerst solle ich in aller Ruhe die Aussicht genießen.

Alles okay also, der Turm kann nicht umfallen, ich bin beruhigt. Auch wenn ich einen Mann im weißen T-Shirt sehe, der sich diskret an einer Verstrebung unweit der Tür festhält. Die Aussicht ist in der Tat fantastisch. Im Westen reicht der Blick über Vancouver und den Pazifik bis zu den Bergen auf Vancouver Island. Landeinwärts verliert er sich in der wilden Endlosigkeit der Coast Mountains. Die 37 Meter langen, nur drei Meter entfernt rotierenden Flügel erinnern daran, dass dies kein normaler Aussichtsturm ist, sondern eine 1,5 Megawatt produzierende Windkraftanlage, die ein Viertel des Grouse Mountain Resort mit Strom versorgt.

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Daher also das Rauschen. In den Boden eingelassene Glasböden sorgen dafür, dass das Gehirn noch einmal kurz Alarm schlägt. Ich greife zur GoPro und mache mit ihr einen ersten Rundgang. Die Höhe und der Blick lösen bei den übrigen Besuchern Hochstimmung aus. Kinder versuchen ihre Eltern auf die Glasböden zu ziehen, Männer fotografieren, was die Speicherkarten hergeben. Ich auch. Nur eines ärgert mich. Dass ich noch ein bisschen zu früh für den Sonnenuntergang bin. Der muss von hier aus eine Wucht sein …

Nummer 3: Die greisen Baumgiganten im Lighthouse Park

Der Lighthouse Park in West Vancouver gehört zu den weniger bekannten Outdoor-Attraktionen im Großraum Vancouver. Dabei schützt er 75 Hektar nie geschlagenen Regenwalds. Wer also wissen will, wie die kanadische Pazifikküste vor der Ankunft der Europäer ausgesehen hat, sollte sich dieses wunderbare Stück Natur auf keinen Fall entgehen lassen.

„Warum, frage ich meine Kunden immer, wollt Ihr so schnell wie möglich raus aus Vancouver?“ Manfred Schölermann breitet die Landkarte auf dem Tisch aus und deutet mit einer weitgreifenden Bewegung auf das Hinterland der Metropole. Über der Stadt schneidet der Howe Sound tief in die Coast Mountains. Weitere Fjorde und Inlets sind zu sehen, zahlreiche Seen und immer wieder vierstellige, Gipfelhöhen angebende Zahlen:

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Auch dem kartografischen Unbedarften wird schnell klar, dass die Wildnis in Vancouver gleich hinter dem letzten Haus beginnt. Straßen gibt es dort kaum, dafür umso mehr von BC verwaltete Provinzparks, deren Aufgabe es ist, die Wildnis zu schützen.

„Du siehst, in Vancouver haben wir alles“, beantwortet Schölermann seine Frage selbst. Er faltet die Karte wieder zusammen. „Im Umkreis einer Tagestour kannst Du bei uns Skilaufen, Segeln, Wandern, Mountainbiken, Klettern, Bergsteigen, Gleitschirmfliegen, Rudern, Kajakfahren, Tauchen und Angeln!”

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Schölermann, der in den 1960er Jahren aus Deutschland nach Kanada kam und in Vancouver im Rahmen seines Tourunternehmens Rockwood Adventures die meisten dieser Aktivitäten anbietet, ist die Personifizierung des aktiven Vancouverite. Weit über siebzig, versprüht er die Energie eines fitten Mittdreißigers und führt noch immer die meisten seiner Touren persönlich. „Neulich sagte mir eine Kundin, nachdem sie 6.000 Kilometer durch BC und Alberta gefahren war, dass sie die kanadische Wildnis das nächste Mal von Vancouver aus genießen würde!“

Natürlich kennt Manfred Schölermann den Großraum Vancouver wie seine Westentasche. Der auf einer felsigen Halbinsel liegende Lighthouse Park in West Vancouver gehört zu seinen Lieblingszielen. Fantastische Blicke über das Meer auf die Metropole bietend, schützt er eines der letzten Fragmente jungfräulichen Regenwaldes in diesem Küstenabschnitt.

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Am Waldboden gedeihen Farne, wilde Beeren und Pilze, tausend Jahre alte Douglasien ragen wolkenkratzerhoch in den Himmel. Herrliche Wanderwege führen durch diese märchenhafte Kulisse. „Lass uns mal ins Valley of the Giants gehen, da zeig’ ich Euch was”, sagt Schölermann lächelnd. Er wartet die Antwort nicht ab und geht los. Vancouver? Kaum zu glauben, aber die Zwei-Millionen-Metropole liegt nur einen Katzensprung entfernt.

Ole Helmhausen ist freiberuflicher Reisejournalist, Autor, Fotograf und VJ und bereist seit über 20 Jahren im Auftrag deutschsprachiger Zeitungen, Magazine und Verlage die USA und Kanada. Als Blogger betreibt er das beliebte Kanadablog OUT OF CANADA. Ole lebt in Montréal (Kanada). Man findet ihn auch auf: Facebook, Google+ und Twitter.

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Infos: Sea to Sky Gondola
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Rockwood Adventures
Tourism Vancouver
Destination British Columbia