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Sandra Pella ist Head Gardener im Botanischen Garten von Toronto, der erst vor wenigen Jahren gegründet wurde. Reise-Bloggerin Daniela David hat sie besucht – ein Gastbeitrag. 

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Sie hat Temperament, das merke ich gleich bei der ersten Begegnung und sie ist dynamisch. Das passt zu Toronto. Und mit ihrer Familiengeschichte ist Sandra wohl auch eine typische Kanadierin: Ihre Großeltern kamen einst aus Italien, ihre Mutter stammt aus der Ukraine. Für die Einwohner von Toronto sind diese multi-nationalen Lebensgeschichten besonders häufig. Etwa 50 Prozent der Stadtbewohner sind außerhalb Kanadas geboren. Welch eine Vielfalt! Ich sehe sie in den Gesichtern der Menschen und ich höre sie. In der viertgrößten Stadt Nordamerikas werden etwa 130 Sprachen und Dialekte gesprochen.

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„Toronto ist Leben“, sagt Sandra. Auch das sehe und spüre ich auf den Straßen der Innenstadt. Überall sind Menschen unterwegs. Alle sind in Bewegung. Es gibt soviel zu sehen und zu tun. Da sind die unzähligen Spezialitäten-Restaurants, Kinos, Galerien, Theaterbühnen, dazu mehrere bedeutende Museen. In der größten Stadt Kanadas mit ihrer fotogenen Lage direkt am Lake Ontario ist immer irgendetwas los. Doch Sandra Pella braucht den Kontrast. Sie braucht die Farbe grün und sie braucht Pflanzen um sich. So ist der Botanische Garten von Toronto ein idealer Arbeitsplatz. Sie arbeitet dort seit 2008 als Head-Gardener, das heißt: sie ist die Chef-Gärtnerin.

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Um Sandra zu treffen, steige ich ins Taxi. Der Toronto Botanical Garden liegt abseits von Downtown. Fahrer Farid aus Bangladesch kennt die Strecke nicht auswendig, denn nicht allzu viele fragen danach. Vielleicht ist der Garten einfach noch nicht bekannt genug. Blumen säumen den Eingang. Das Hauptgebäude ist von Pflanzen eingewachsen. Obergärtnerin Sandra Pella sagt mir, dass sie stolz auf ihren Botanischer Garten sei, auch wenn er nicht riesig ist. „Wir geben Impulse, wir sind Teil einer modernen Bewegung“, erklärt sie. „Gärtnern wird immer populärer in Kanada. Auch junge Leute haben großes Interesse am Thema Pflanzen. Sie stellen Fragen: Woher kommt unser Gemüse, unser Essen? Wir erhalten viel Unterstützung.“

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Etwa 45 aktive ehrenamtliche und 15 festangestellte Mitarbeiter kümmern sich um den Garten. Da wird gerecht, geschaufelt und gejätet. Ich beobachte diese fleißigen Bienen: Einige ältere Leute – alle bestückt mit einem Sonnenhut – bearbeiten die Beete oder fegen die Wege – mit wirklicher Hingabe. Die Besucher genießen das Resultat dieser Arbeit. Da flaniert eine Gruppe von Asiatinnen – auch mit Sonnenhut bestückt – an den herzförmigen Blättern der Kanadischen Kirsche vorbei. Überhaupt sind viele asiatische Gäste im Garten. Im Stadtteil North York, in dem sich der Toronto Botanical Garden befindet, lebt eine große asiatische Community. Morgens machen die ersten schon Thai Chi im Anblick einer stattlichen Sammlung an Helleborus, der Lenz- und Christrose mit ihren unterschiedlich hellen Grüntönen.

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An einigen Stellen muss ich vor den Rabatten einfach stehenbleiben und fotografieren: Da wiegen sich die elfenbeinfarbenen Diamant-Astilben im Wind. Ihre hellen Puschel bilden ein ganzes Feld. Zum Kontrast dazu leuchten die Blätter des Japanischen Ahorn feuerrot in der Sonne. Ohne Ahorn geht in Kanada ja bekanntlich gar nichts, und wenn es auch ein japanischer Ahorn ist. Im Kräutergarten wachsen Heilkräuter, die schon von den Ureinwohner Kanadas genutzt werden, besonders auch von dem lokalen Indianerstamm der Irokesen. Viele traditionellen Heilmethoden der First Nations werden noch heute praktiziert. Dank des Botanischen Gartens wird altes Wissen erhalten.

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Auf einem steil abfallenden Weg gehe ich abwärts in die kleine Schlucht des Don River. Es geht durch einen Mischwald mit Bäumen, die nicht mehr allzu oft zu finden sind. Einst war die ganze Fläche von Toronto mit Wald bedeckt, erklärt mir Sandra dann. Typisch für den Süden der Provinz Ontario war der sogenannte Carolinian Forest, ein Wald mit einer spezifischen Pflanzenzusammensetzung.

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Doch Abholzung und Umweltverschmutzung haben viele der ursprünglichen Pflanzenarten ausgerottet, die noch im 19. Jahrhundert in der Gegend wuchsen. Im Garten sind noch zwei Vertreter des ursprünglichen Baumerbes zu sehen: der Tulip Tree, der Tulpenbaum also, mit seinen intensiv hellgrünen Blättern, die an Ahorn erinnern. Und der Sassafras. „Die sind sehr schwierig zu ziehen. Sassafras sind empfindlich und gelten daher als besonders wertvolle Umweltindikator-Pflanzen“, erläutert Sandra.

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Die Chefgärtnerin hat früher auch einige Zeit im berühmten Dexter Garden in England gearbeitet. Ihre Erfahrungen von dort fließen heute in ihre Arbeit mit ein. Doch so extremen Temperaturschwankungen wie in Kanada sind die Pflanzen in Großbritannien bei weitem nicht ausgesetzt. In Kanada verlangt die Natur den Pflanzen viel ab, scheint mir. Auch kann der Botanische Garten von Toronto auf keine lange Tradition zurückblicken, wie das bei vielen Botanischen Gärten in Europa der Fall ist. Er entstand erst 2006 als non-profit Organisation. Der Garten muss sein Geld selbst verdienen durch Fundraising, Veranstaltungen und Spenden. Die Stadt gibt nur wenig dazu.

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„Langfristiges Ziel ist es, den Garten mit dem nahegelegenen Park zu vereinen und ihn der öffentlichen Hand zu unterstellen“, meint Sandra und spielt damit Zukunftsmusik. Die beiden Grünanlagen liegen nebeneinander und gehen schon heute quasi ineinander über. Viele Besucher bemerken den Übergang zum städtischen Park Edwards Garden gar nicht. Er verfügt über große Bestände an Magnolien und Rhododendren.

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Sandra Pella bleibt optimistisch. Sie wirkt gut gelaunt und strahlend. Gibt es auch etwas, was sie ärgert in ihrem Garten, frage ich sie? „Ja“, sagt sie, „wenn Besucher gedankenlos einfach an Pflanzen rupfen. Manche pflücken die Blumen einfach weg.“ Doch dann lächelt sie gleich wieder und erzählt von ihren neuen Pflanzplänen. Sie geht vorbei an den üppigen Staudenbeeten und den typisch kanadischen Gehölzen. Dann entschwindet sie in Richtung Gewächshaus. Dort wächst die Zukunft ihres Gartens.

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Daniela David, Journalistin, reist, schreibt und fotografiert in aller Welt. Ihre Geschichten und Fotos erscheinen in vielen deutschen Tageszeitungen und Magazinen. Dabei ist ihr Kanada besonders ans Herz gewachsen. Mit ihrem neuen Blog vonREISENundGAERTEN hat sie ein Magazin für Garten-Entdecker mit Geschichten von Gärten und Menschen rund um den Globus geschaffen.

Infos: Der Toronto Botanical Garden befindet sich 777 Lawrence Avenue East, www.torontobotanicalgarden.ca. Infos zu Toronto unter www.SeeTorontoNow.com, zu Ontario unter www.ontariotravel.net 
 

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