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Bis vor kurzem konnte man die Wasserfälle des Hay River in den Northwest Territories nur zu Fuß besuchen. Jetzt gibt es auch eine Tour im Jetboat.

Spencer hat mich vergessen! Eigentlich wollte mich mein Guide am winzigen Flughafen von Hay River aufsammeln. Warten ist angesagt. Ich habe nichts zu lesen dabei, und die zwei Indianer, die in den Sesseln hängen, bieten auch kein Unterhaltungsprogramm. Zum Glück gibt es die Hay River Literacy Society: Ich blättere in den vergilbten Büchern im „Travellers Book Rack“ – so einen Service findet man wohl nur in einem kanadischen Provinz-Airport.

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Patriotische Beflaggung im Hafen von Hay River.

Selbst für kanadische Verhältnisse ist Hay River ein kleines Nest – und doch mit seinen rund 3.600 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde der menschenleeren Northwest Territories. Historisch ist der Ort am Great Slave Lake trotzdem bedeutsam: Seit den 1940er-Jahren diente er als Umschlagsplatz für Waren, die auf dem Mackenzie Highway hierher gelangten, um danach auf dem Wasserweg weiter in den arktischen Norden verschifft zu werden.

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Zwischenstation auf dem Weg in die Arktis.

Anruf bei Spencer: Eine verschlafene Stimme am Telefon, die schlagartig wacher klingt, als der Guide offenbar auf die Uhr schaut. Zehn Minuten später hält ein dicker Pick-up mit quietschenden Reifen vor dem „Terminal“ – die Hay River Action kann beginnen. Aber erst nach dem Check-in: nicht im Hotel, sondern in einer geräumigen Jurte direkt am Ufer des Great Slave Lake. Während ich mich umsehe, hängt Spencer einen Anhänger mit einem riesigen Jetboat an den Pick-up.

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Jurten am Ufer des Great Slave Lake.

Auf dem Hay River war Spencer Pikes Familie schon immer unterwegs: „Die Regierung bezahlt uns dafür, dass wir jeden Sommer die Schilder am Ufer reinigen, die den Schiffsverkehr regeln“, sagt Spencer. Erst vor ein paar Jahren hat sein Clan umgesattelt: von Kfz-Werkstatt und Taxibetrieb auf Tourismus. Im Angebot sind Aktivitäten wie Angeln, Bootstouren und Schneemobilausflüge im Winter.

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Spencer lädt das Boot vom Anhänger in den Hay River.

Mangels Konkurrenz stießen sie schnell auf reges Interesse, insbesondere an den neuen Jetboat-Fahrten bis zu den Louise Falls. Vor allem Einheimische gehörten zu den ersten Kunden, kannten sie den Fluss von dieser Seite vorher gar nicht. Am Startpunkt lässt Spencer das PS-starke Schnellboot zu Wasser. Er drückt den Gashebel durch, dann saust das Boot mit 50 Meilen pro Stunde über die Wasserfläche.

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Mit 50 Meilen pro Stunde …

Steile Felsklippen säumen die Ufer, türmen sich im Laufe der Fahrt immer höher. Hin und wieder schlägt das Boot hart auf Stromschnellen auf, manchmal muss der 27-Jährige Sandbänken ausweichen. Nur ein Jetboat ist für das flache Wasser geeignet. „Im Laufe des Sommers sinkt der Wasserstand immer weiter“, sagt Spencer. „Irgendwann im Juli müssen wir den Betrieb dann einstellen.“

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Louise Falls im Twin Falls Territorial Park.

Hinter der nächsten Kurve steht eine Gischtwolke in der Luft, die Louise Falls versperren die Weiterfahrt. In einem breiten roten Strom rauschen sie vor dem Boot von den Felsen. „Wegen der rötlichen Farbe nennen wir sie auch Root Beer Falls“, sagt Spencer und packt den Lunch aus. Ein Felsklotz am Ufer ist der Picknicktisch, das wilde Wasser spielt die Hintergrundmusik, rund herum erstreckt sich nur die Wildnis des kanadischen Nordens.

Infos:2 Seasons Adventures“ bietet Yurten am Ufer des Great Slave Lake, mit Kücheneinheit, Fahrrad, TV und WLAN, außerdem Camping und Jetboat-Touren, Tel. +1 (867) 446-1178.

Die Recherche zu diesem Beitrag wurde unterstützt von Northwest Territories Tourism.

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Spencer Pike.