Du betrachtest gerade Dene First Nations: In fremden Mokassins

Doug Lamalice vom Volk der Dene führt nicht nur Touristen, sondern auch eigene Stammesmitglieder zu einem traditionellen Treffpunkt der Ureinwohner.

Flammen zischen, das Lagerfeuer knistert. Doug Lamalice greift in seine Tabaktüte und gibt jedem von uns ein paar Krümel in die Hand. „Bitte streut es als Opfergabe ins Feuer!“ Die Zeremonie am Ufer des Hay River hat Tradition: Die Wälder rechts und links des Flusses seien immer ein beliebtes Sommercamp der Dené-Indianer gewesen, sagt Doug.

Hier trafen sich die Clans zum angeln, fischen und um wichtige Absprachen zu besiegeln. Die Dené waren die ersten Ureinwohner, die in den heutigen Northwest Territories lebten. Ihr Volk umfasst mehrere Stämme im arktischen Kanada, die alle die Sprache Athabascan gemeinsam haben.

Am Hay River.

Doug Lamalice will den Geist vergangener Zeiten im Rahmen einer Wanderung wiederaufleben lassen. Es war nicht seine eigene Idee: Die Stammesältesten hatten ihn aufgefordert, zu seinen indianischen Wurzeln zurückzukehren. „Ich habe das erst nicht kapiert und wusste nicht, wie ich mit der traditionellen Lebensweise mein schickes Auto weiter finanzieren sollte“, sagt Doug.

Heute führt er nicht nur Besucher aus aller Welt, sondern auch Stammesmitglieder durch den Twin Falls Territorial Park. „Ich sehe mich als ein Lehrer für meine Leute“, erklärt der 52-Jährige und berichtet vom täglichen Kampf ums Überleben, von Überschuldung, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. „Es geht darum, durch die Rückbesinnung auf unsere Vergangenheit neues Selbstbewusstsein zu gewinnen.“

Alexandra Falls.

„Walk-a-mile-in-my Mocassin“ heißt Dougs Angebot. Unwillkürlich mussten wir alle bei der Begrüßung auf seine Schuhe starren: Keine Mokassins aus gegerbtem Büffelleder, sondern ausgetretene schwarze Turnschuhe. „Sonst hätte ich nach drei Touren schon wunde Füße“, sagt Doug.

Auch sonst wirkt der füllige Dené eher unkonventionell: Er dürfte weit und breit der einzige Indianer mit „Vokuhila“-Frisur sein. Und er hadert etwas mit der Wildnis: „Pfft, pfft“, zischt es alle zwei Minuten aus seiner Mückenspray-Dose, mit der er sich Arme und Beine einsprüht.

Doug Lamalice. Nach der kleinen Opferzeremonie schlendern wir durch den Park, das Tosen in der Luft wird immer lauter. Dann geben die Bäume den Blick auf einen fünfzig Meter breiten Vorhang aus Wasser frei. Donnernd stürzt der Hay River an den Alexandra Falls in die Tiefe. Mit über 30 Metern Höhe gehören sie zu den beindruckendsten Wasserfällen des Territoriums.

Doug erzählt aus seiner Kindheit, vom Leben in einer einfachen Blockhütte: „Im Winter war morgens das Wasser gefroren und wir warteten sehnsüchtig darauf, dass mein Vater die Gaslampe anzündete und das Feuer schürte.“

Verbitterung klingt aus seiner Stimme, wenn er von seinem Onkel berichtet: „Als Kind sah ich ihn mit Schneeschuhen meilenweit rennen, um den Schlittenhunden den Weg zu bahnen. Später wartete er nur noch auf den Scheck von der Wohlfahrt.“

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Irgendwann muss sich Dougs Groll auf die Gesellschaft in positive Energie verwandelt haben: Er wurde Stein- und Holzschnitzer, lernte spät die Stammessprache, begann als Übersetzer für sein Volk zu arbeiten und vertritt die Stammesinteressen in Ausschüssen. „Unsere Elders sind alle um die 80 Jahre alt“, sagt er. „Die Zeit läuft uns davon, wir müssen ihr Wissen noch rechtzeitig sammeln und an die Jugend weitergeben.“

Info: „Walk a Mile in My Moccasins“, kostet je nach Gruppengröße rund 100 Dollar pro Person, Tel. +1 (867) 867-0777.

Die Recherche zu diesem Beitrag fand mit Unterstützung von Northwest Territories Tourism statt.

Doug Lamalice.